Buchpräsentation und moderiertes Gespräch zur „Sozialen Frage im 21. Jahrhundert“ mit Landeshauptmann Peter Kaiser und Politikwissenschaftler Emmerich Tálos an der Fachhochschule Kärnten, Standort Feldkirchen
Am Freitag, 6. November 2015, präsentierten die Herausgeber Heinz Pichler (AK Kärnten) und Martin Klemenjak (FH Kärnten) im Wieser Verlag das Buch „… damit der soziale Grundwasserspiegel wieder steigt! Reflexionen zur Sozialen Frage im 21. Jahrhundert – Emmerich Tálos im Gespräch mit Peter Kaiser“. Die Herausgabe dieses Buches erfolgte unter anderem mit freundlicher Unterstützung durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Kärnten.
Zum Buch diskutierten Landeshauptmann Peter Kaiser und der Politikwissenschaftler Emmerich Tálos. „Ich erwarte mir von sozialpolitischen Menschen vor allem Kritikfähigkeit beginnend mit Selbstkritik, aber auch Kritik an der Gesellschaft und Politik“, so Kaiser. „Wer Kindern Paläste baut, reißt Kerkermauern nieder“. Dieses Zitat des Wiener Arztes und Sozialstadtrats Julius Tandler erklärt für Kaiser viel an gesellschaftspolitischen Zusammenhängen: „Erstens die immense Bedeutung der Elementarpädagogik, zweitens Raum, Zeit sowie Zuwendung und drittens werde, wenn das positiv erledigt ist, das Herausbrechen aus der Gesellschaft minimiert.“ Investition in die Bildung sei eine der wichtigsten Phasen aktiver Sozialpolitik. „Gefühllose Politik wird nie richtige rationale Entscheidungen treffen können“, meinte der Landeshauptmann zum Stichwort „soziale Empathie“. Soziale Gerechtigkeit sei für ihn das permanente Bemühen Chancengerechtigkeit im umfassenden Sinn herzustellen. „Ich orte eine negative Entwicklung, denn immer mehr Menschen nehmen sich aus dem gesellschaftspolitischen Gestalten heraus und verwirken damit Mitgestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten.“
Sozialpolitik müsse die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Gesellschaft verbessern, sagte Tálos. „Eine Balance der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen muss geschaffen werden.“ Durch Sozialabbau würden soziale Zusammenhänge zerstört, verwies Tálos auf die Griechenland-Situation. Hier müsse gegengesteuert werden und dabei würden zivilgesellschaftliche Organisationen eine große Rolle spielen. „Sozialpolitisch engagierte Menschen bedürfen sozialer Sensibilität“, so Tálos. Es brauche mehr Mut zu Disponierung, kritische Blicke auf aktuelle Problemlagen und das Bemühen um Alternativen.
„Als ‚sozialen Grundwasserspiegel‘ könnte man all jene Grundstandards bezeichnen, die erforderlich sind, um ein gemeinschaftliches und friedfertiges Miteinander in einem demokratischen Gemeinwesen zu garantieren. So gesehen steht der Begriff ‚Grundwasser‘ als Synonym für jene Grundwerte, die für ein demokratisches Gefüge unabdingbar sind: Solidarische Handlungsmuster, friedfertige Konfliktregelung, Achtung der Menschenrechte, Dialog und Respekt und ein von humanitären Werten geprägtes Menschenbild“, so die Herausgeber Heinz Pichler und Martin Klemenjak.
„Im 19. Jahrhundert bezeichnete man die ‚Soziale Frage‘ als den Versuch, eine Antwort auf die gravierenden Missstände der Massenverelendung der Arbeiterschaft, bezeichnet als ‚Pauperismus‘, zu geben. In diesem Kontext gilt auch für die Soziale Frage des 21. Jahrhunderts: Wie können die aktuellen Problemfelder, wie sie unter gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auftreten, so gelöst werden, damit Armut und soziale Ausgrenzung beseitigt und Verteilungsgerechtigkeit ermöglicht werden“, so Pichler und Klemenjak abschließend.
Unter den Teilnehmenden gesehen: FH-Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer Siegfried Spanz; FH-Vizerektor Peter Granig, Caritas-Direktor Josef Marketz, AUTARK-Geschäftsführer Andreas Jesse, die stellvertretende Leiterin der Abteilung Soziales im Amt der Kärntner Landesregierung Christine Gaschler-Andreasch, der Geschäftsführer der sozialökonomischen Betriebe Kärnten Reinhard Reich, der FH-Kuratoriumsvorsitzende Karl Anderwald, der AK-Bezirksstellenleiter Heimo Rinösl, der Leiter des Studienbereichs Gesundheit und Soziales an der FH Kärnten Holger Penz und der interimistische Leiter des Studienganges Soziale Arbeit Georg Ratschiller.
Bildnachweis: Helga Rader/AK Kärnten